Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin...

Bericht vom Mauerweglauf
17. – 18. August 2013
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Am 15. Juni 1961 erklärte Walter Ulbricht "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Keine 2 Monate später, am 13. August, kurz vor meiner Geburt, wurde die Berliner Mauer gebaut. In Anlehnung an dieses Zitat steht auf den Finisher-Shirts des ersten Mauerweglaufs, der 2011 statt fand: "Keiner hat die Absicht, 100 Meilen zu laufen". Und sie taten es doch!

Anfang November 2012 war Jörg bei der Mauerwegtour, die 175 km in 3 Etappen/Tagen umfasste. Jörg hat als ehemaliger "Ossi" zu diesem Lauf eine besondere Beziehung.

Ich weiß nicht mehr, was mich inspiriert hat, mich anzumelden. Jedenfalls hatte ich definitiv die Absicht, die 100 Meilen zu laufen.

Donnerstag fuhren Martine und ich nach Berlin. Wir hatten ein Hotelzimmer in der Nähe von Start und Ziel reserviert. Das Ramada-Hotel am Alexanderplatz, welches offizielles Veranstaltungshotel war, war uns zu teuer und zu weit weg. Am späten Abend kamen wir am Hauptbahnhof an und fuhren direkt ins Hotel - alles im Lot. Freitag hatten wir im wesentlichen frei - wie der Name ja schon sagt. Erst Frühstück im Hotel, ein Bummel zum Sportplatz an der Lobeckstraße, mal die Lage peilen, weiter durch Kreuzberg, Kuchen und Tee am Görlitzer Bahnhof, etwas shoppen. Zum Mittagessen waren wir mit Roland und Petrus, ehemaligen Kollegen von Martine, verabredet. Beim Italiener wurde dann viel über alte Zeiten geredet. Weiter ging es zum neuen Schrebergarten von Jonas und Neela, schön gelegen auf einer Halbinsel zwischen Spree und Rummelsburger See. Es gab Brombeerkuchen und die Sonne brannte - ich befürchtete Schlimmes für den nächsten Tag. Gegen Abend ging es dann zu Startnummernausgabe, Pasta-Party und Briefing ins Ramada.


Bei der Startnummernausgabe
© Jörg Levermann, LG Mauerweg Berlin e.V.

Die Ultras kennen sich ja alle. Naja, jedeR kennt viele. Alexander, Annett, Birte, Desiree, Hajo, Joe, Magnus, Michael, Mike, Mirko, Peer, Ralf, Sigrid und einige, die ich jetzt vergessen habe. Immerhin kamen wir trotz des Halli-Hallos noch zum Essen. Natürlich gab es Nudeln, aber auch noch Nachtisch. Gestärkt ging es zum Briefing. Da gab es einen kurzen Film, der noch mal an den Mauerbau und seine Opfer erinnerte. Ronald erklärte uns ein paar Regeln. U.a. sollte man sich merken, dass das Überlaufen von Roten Ampeln zur sofortigen Disqualifikation führen würde. Auf ein paar Gefahrenstellen wurde hin gewiesen - und wir haben sie sofort wieder vergessen. Es gab ein Roadbook mit Streckenbeschreibung - aber wer mag dem schon folgen. Die Streckenmarkierung wurde erklärt: Pfeil nach links: es geht nach links. Pfeil nach rechts: es geht nach rechts. Pfeil geradeaus: ... Naja, immerhin wussten wir nun, wie die Pfeile aussehen würden, nach denen wir schauen mussten.

Als das Briefing zu Ende war, löste sich alles schnell auf. Klar, bei Start um 6 muss man früh ins Bett. Draußen trafen wir Birte, die zum Essen zu spät war (die Bundesbahn...) und Joe, der schon ein Bier in der Hand hatte.

Im Hotel habe ich schnell noch meine Sachen zurecht gelegt und den Wecker gestellt. 4:45 Uhr als spät-möglichster Termin - aber ich dachte, ich wäre da sowieso schon wach. Ich bin schnell eingeschlafen...

Um 4:45 Uhr weckte mich der Wecker aus dem Tiefschlaf. Uhh... Vaseline auf die entscheidenden Stellen, Klamotten an, Beutel auf den Rücken und los. Um 5:01 Uhr war ich auf dem Sportplatz und machte mich ans Frühstück. Kaffee, belegte Brötchen, ... Chip aktivieren, Drop-Bags abgeben, Toilettengang, zwischendurch wieder Halli-Hallo.

Kurz vor 6 versammelten sich alle an der Startlinie und es ging los. Eine halbe Runde durchs Stadion, dann quer durch die Stadt. Oranienstraße, Ampel, alle bleiben stehen! An Ministerien vorbei, bei der TAZ ist noch keiner, am Reichstag vorbei, jetzt immer nach Norden. Alle 6 km gab es einen Verpflegungsstand. Der Erste war an der Gedenkstätte für Günter Litfin, der erste Mensch, der an der Mauer erschossen wurde. http://www.gedenkstaetteguenterlitfin.de/

Berlin war noch ruhig, die Läuferinnen noch beieinander. Nach 32 km hatten wir den nördlichsten Punkt erreicht. Das war in der Nähe von Frohnau, wo ich vor kurzem noch am 24h-Lauf teilgenommen hatte.


Meistens war es schattig...
© Johannes Zimmermann, Berlin

Folget den Pfeilen!
© Johannes Zimmermann, Berlin

Hier irgendwo stand auch mein Kollege Johannes am Straßenrand, machte ein paar Fotos und begleitete uns ein Stück. Das tat gut, genau wie die SMSe, die ich unterwegs bekam und die vielen freundlichen HelferInnen an den Verpflegungsstellen.

Nach 43 km hatten wir den Ruderclub Oberhavel erreicht. Hier lagen die ersten Drop-Bags und die Staffeln wechselten ihre Läufer. Ich nahm Mütze und Schwamm aus dem Drop-Bag, denn mittlerweile war es warm geworden. Sigrid, mit der ich den ganzen Lauf zusammen gelaufen bin, ging kurz duschen, während ich mir nur einen Schlauch über den Kopf halten ließ.

Jetzt ging es wieder gen Süden. 8 km an der Havel entlang. Oft hatten wir Schatten; wenn nicht, zog ich die Mütze auf.

Bei km 68 war ein Verpflegungsstand in/vor einer Gartenlaube - nett. Dafür gingen die nächsten Kilometer an einer Straße entlang...

Langsam näherten wir uns Potsdam. Die Rest-Kilometerzahl war schon zweistellig.


Stein im Schuh
© VP7, LG Mauerweg Berlin e.V.

An Verpflegungspunkt 7
© VP7, LG Mauerweg Berlin e.V.

Nach 79 km überholten wir Magnus. Er ging und meinte, er wolle aufhören. Ich redete ihm gut zu, erst mal Pause zu machen und dann noch mal nachzudenken.

Bei km 80 der zweite Staffelwechselpunkt, der zweite Drop-Bag. Im Schatten von Schloss Sacrow ließ ich mich nieder, wechselte mein T-Shirt und trug Vaseline nach. Halbzeit - aber ich fühlte mich schon etwas geschafft. Langsam weiter - nicht zu schnell - immer am Wasser entlang, rund um den Krampnitzsee, Jungfernsee, Griebnitzsee, ...

Magnus war schon vor uns weiter gelaufen - so schnell ändern sich die Gedanken beim Ultralauf.

Nach 99 km stand Martine an der Gedenkstätte Griebnitzsee. Trotzdem nur eine kurze Pause, gehend bis zu ihrer Bushaltestelle. Kurz danach passierte es: Auf der anderen Seite der Brücke über die Kremnitz ging eine Treppe runter und ein Pfeil zeigte dorthin. Da wurde doch beim Briefing extra drauf hin gewiesen, oder? Wir also runter und 2 km einem Trampelpfad gefolgt, Brennnesseln und Büsche von beiden Seiten. Naja, hier sollen schon 50 Leute durch gelaufen sein? Irgendwann habe ich meine GPS-Uhr angemacht und sah den Track weit weg von uns. Mit Ronald, dem Chef telefoniert, sicherheitshalber: "Trampelpfad, nee, das ist falsch". Also zurück auf den Track, zum Königsweg. Den ging es dann immer geradeaus.

Bei km 106 verbrachte Maria Thiel ihren 65. Geburtstag. Es gab Obstkuchen und Sahnetorte, Kaffee, Orangensaft und Sekt. Ich kann euch sagen, ich war wie neu geboren!

Weiter ging es zum nächsten Wechselpunkt, km 112. Ich war ja noch gesättigt, aber Sigrid aß ein paar Nudeln. Wir nahmen unsere Warnwesten und die Stirnlampen aus den Drop-Bags. Es war 20:15 und bald würde es dunkel werden. Ich machte meine GPS-Uhr wieder an, die uns sicher durch die Dunkelheit brachte.

Mittlerweile ging es wieder Richtung Westen. Es wurde etwas kühler, knapp unter 20 Grad.


In der Nacht
© VP27, LG Mauerweg Berlin e.V.

Am Verpflegungsstand 21, bei km 124, stand Martine wieder. Schön. Ich setzte mich auf eine Bierkiste und bekam Beifall, weil ich problemlos wieder hoch kam. Danke!

Es ging jetzt rund um Lichtenrade, links Stadt, rechts Feld. Vor uns eine Kirmes - jetzt nicht!

In Rudow ist Verpflegungspunkt 24 - nur noch Halbmarathon. Wir verpflegen uns gut, gehen wenig und laufen gar nicht so langsam. Die Richtung dreht sich wieder nach Norden - Richtung Kreuzberg!

Zwischen Kanal und Schnellstraße, bestimmt der hässlichste Teil der Strecke - aber es ist ja dunkel. An der Verpflegungsstelle bei km 144 sind Claudia, Hajo und Michael, vielleicht auch noch andere, die hier etwas länger brauchen als wir. Wir machen ein paar Plätze gut, das motiviert.

Vor 3 wollen wir gerne im Ziel sein - let's go!

Nach 148 km kommt endlich die Brücke mit der Treppe, vor der uns gewarnt wurde. Mit GPS alles kein Problem.

Sonnenallee, km 150, habt ihr den Film gesehen? Kann ich nur empfehlen!

Links und rechts Häuser, aber wir laufen im Grünen.

Alt-Treptow, nicht weit vom oben erwähnten Schrebergarten von Jonas und Neela, tolle Verpflegung, aber ich kann nicht mehr. Brauche ich auch nicht mehr - Sigrid bedient sich noch mal.

Die Zeit wird knapp, aber es sieht gut aus...

Huch, Spießrutenlaufen auf der Schlesischen Straße. Die Bürgersteige sind rappelvoll, nachts um kurz vor 3!

Jemand begleitet mich spontan und will wissen, was wir machen. "Cool!"

Mit der Oberbaumbrücke über die Spree, Ampeln, East Side Gallery - wir überholen wieder mehrere gehende LäuferInnen.

Noch mal über die Spree, es ist nicht mehr weit.

Merkwürdige Gestalten, kaputte Bierflaschen auf der Straße ... jetzt egal.

Wir kreuzen die Lobeckstraße - hier ist doch das Stadion, oder?
Wir hören Alexander, den Sprecher. Am Stadion vorbei, 'hinten rein', noch eine halbe Runde - der Mauerweg ist geschafft!


Im Ziel
© Barbara Speckner, Berlin

Glücklich ziehe ich mein Finisher-T-Shirt an und wir lassen uns fotografieren.


Im Finisher-Shirt
© Barbara Speckner, Berlin

Jetzt merke ich erst, wie kaputt ich bin.

Ich suche meinen Beutel mit dem Hotelschlüssel und mache mich auf den Weg ins Hotel.
Sigrid schläft in der Turnhalle. Auf dem Rückweg kreuze ich die Laufstrecke und treffe hier Hajo - er hat es auch gleich geschafft.

Im Hotel schnell unter die Dusche - Sch..., das Wasser ist kalt!

Ab ins Bett. Am Fuß merke ich etwas - jetzt auch egal.

Ich schlafe unruhig, bis 8 Uhr. Ich lasse mich von Martine verarzten: die Blase am dicken Zeh aufstechen, etwas Penaten-Creme auf ein paar wunde Stellen.

Kaffee! Frühstück! Das war herrlich.

Dann machen wir uns wieder auf dem Weg ins Stadion. Da tobt immer noch der Bär, es laufen immer noch Läufer ein, andere stehen gerade wieder auf, andere essen schon zu Mittag.

Ich schaue auf die Ergebnisliste:
Helmut Hardy: DNF, Sigrid Hoffmann: DNF
Did Not Finish?
Was soll denn das?
Es wurde geklärt - unsere Chips wurden versehentlich auf den DNF-Stapel gelegt.
Nach 20:53:09 h waren wir im Ziel. Sigrid als 4. Frau, ich als 26. Mann.
Ungefähr 150 kamen noch nach uns ins Ziel, 50 haben es leider nicht geschafft.

Gemeinsames Essen, Wunden lecken, ...

Punkt 12 kommt der letzte Läufer ins Ziel und wird beklatscht wie kein anderer.

Mit dem Shuttle-Bus zum Ramada, noch schnell ein Eis, dann Siegerehrung.
JedeR wird aufgerufen, auf dem Weg zur Bühne beklatscht, bekommt die Urkunde und eine Medaille.

Danach war die Luft raus. Wir waren noch mal Eis essen, mit Jonas und Neela. Aber ich war müde.
Abendessen in einem vietnamesischen Restaurant - schön, aber ich war müde.
20:15, Tatort - aber ich war müde.
20:16 - ich schlief!

 

23.08.2013 – Helmut Hardy

KontrollekmZeitmin/kmkm gesamtGesamt-Zeit
km 6,28 Gedenkstätte Litfin6,28 km00:41:5406:406,28 km00:41:54
km 11,32 Behmstraßenbrücke5,04 km00:31:0206:0911,32 km01:12:56
km 22,10 Lübars10,78 km01:09:3106:2622,10 km02:22:27
km 32,52 Naturschutzturm Hohen Neuendorf10,42 km01:10:5506:4832,52 km03:33:22
km 43,36 Ruderclub Oberhavel10,84 km01:16:5307:0543,36 km04:50:15
km 55,35 Schönwalde11,99 km01:17:2506:2755,35 km06:07:40
km 68,07 Gartenlaube Pletscher12,72 km01:32:3107:1668,07 km07:40:11
km 80,53 Schloß Sacrow12,46 km01:53:0609:0480,53 km09:33:17
km 99,65 Gedenkstätte Griebnitzsee19,12 km02:18:4207:1599,65 km11:51:59
km 112,75 Sportplatz Teltow13,10 km02:10:2409:57112,75 km14:02:23
km 124,92 Lichtenrade12,17 km01:54:0909:22124,92 km15:56:32
km 134,98 Buckower Damm10,06 km01:20:0107:57134,98 km17:16:33
km 144,87 Stubenrauchstr.9,89 km01:29:2109:02144,87 km18:45:54
Stadion Lobeckstraße16,01 km02:07:1507:56160,90 km20:53:09


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