Die Linie

Der Köln-Marathon

Am 5. Oktober 2008

In der Mathematik wird eine Linie als ein eindimensionales Objekt beschrieben, welches im Allgemeinen eine Krümmung aufweist. Eindimensional bedeutet in diesem Sinne, dass die Bewegung auf der Linie in nur eine Richtung erfolgt.

Im navigatorischen Sinne kann eine Linie als Kurs bezeichnet werden, der vom Startort zum Zielort führt. Die lokal kürzeste Verbindung auf einer Kugel wird Orthodrome genannt und folgt immer einer Linie, die die Erdkugel in zwei gleiche Hälften zerteilt. Alle Meridiane und der Äquator sind zum Beispiel solche Großkreise. Navigatorisch ist einem solchen Großkreis schwierig zu folgen, da er, sofern es sich nicht um den Äquator oder einen Meridian handelt, ständig wechselnde Kompasskurse erfordert. Einfacher ist es immer den gleichen Kurs zu steuern, was den Nachteil mit sich bringt, dass der Weg zum Ziel weiter ist. Klingt komplex, aber ein Bild sagt ja mehr als tausend Worte und New York und London sind in Läuferkreisen schließlich bekannte Orte.


Grenzen sind ebenfalls Linien, allerdings zumeist fiktive Linien, die durch Konventionen festgesetzt sind oder in einer Person selbst begründet sind.

Was hat das mit meinem Marathonlauf zu tun?

Die Antwort ist einfach: er war durch Linien bestimmt. In diesem Fall hauptsächlich durch eine blaue Linie, die exakt 42,195 km, IAAF vermessen, lang zu sein versprach.

Ihr zu folgen war, was die Navigation anging, einfach. Am besten mitten drauf und getreu der mathematischen Definition immer nur in eine Richtung, was der Veranstaltung Marathon entspricht und, das kann jeder nachvollziehen, das Ankommen deutlich vereinfacht. In diesem Fall hatte die Orthodrome also eine eigenwillige Form. Wechselnde Kurse gab es aber dennoch; es ging dauernd rechts und links. Allerdings teilte die Linie die Erdkugel nicht in zwei gleiche Hälften, sondern trennte allenfalls diejenigen, die ausreichend trainiert hatten, von denen, die nicht ausreichend trainiert hatten.

Zuvor war allerdings noch eine andere Linie zu überqueren. Die Startlinie, was sich als die schwierigste Aufgabe herausstellen sollte; zumindest als die unerfreulichste, weil das Wetter wirklich sch... kalt und nass war und wir aus Startblock „orange“ geschlagene 20 Minuten brauchten bis wir tatsächlich in den Lauf starten konnten. Falls die Organisatoren etwas am Köln-Marathon optimieren möchten, dann entweder das Wetter oder die Zeit bis man loslaufen darf.

Vor dem Start
Warm angezogen vor dem Start

Der Marathon an sich war ein wunderbarer Lauf. Die Stimmung war, typisch kölsch, prima, wenn das Wetter auch viele Zuschauer davon abgehalten haben könnte an die Strecke zu kommen. Diejenigen die da waren, waren ein faires, motivierendes und sympathisches Publikum.

Nachdem ich letztes Jahr in Köln meinen Debut-Marathon gelaufen bin, wollte ich in diesem Jahr erstmals unter vier Stunden laufen. Meine Laune war nach dem miesen Start nicht die Beste, aber ich war hoch motiviert.

Susanne, unsere Physiotherapeutin von der Arbeit, hatte mir beigebracht, wie ich meine ständig schmerzende linke Schienbeinmuskulatur mit Tape unterstütze und Miriam, unsere Stationsärztin, hatte meine eine Woche zuvor gelaufenen Blasen professionell versorgt. Vielen lieben Dank für eure Unterstützung! Bianca und Heike standen an der Strecke um mich anzufeuern und nach dem Lauf mit trockener und warmer Kleidung zu versorgen.

An der Strecke
Christine und Heike an der Strecke

Was sollte da also noch schief gehen?

Ich kam sehr gut in den Lauf hinein und lag mit meinen angestrebten 5:40 Minuten/km gut im Schnitt. Ich hatte keine Probleme und lief locker, so dass sich meine Laune bald besserte und ich den Lauf tatsächlich genießen konnte.

Einzig erschwerend kam eine neue Variante von Linien hinzu, nämlich lang andauernder Nieselregen, der wie Bindfäden fiel. Anfangs versuchte ich mich damit zu trösten, dass es bestimmt nur ein Schauer sei, aber der Meteorologe in mir wusste es besser. Schauer fallen aus haufenförmiger Bewölkung, Nieselregen aus flächiger Bewölkung und was am Himmel zu sehen war, war eine durchgehende, ununterbrochene graue Wolkenmasse. Also, einstellen auf permanenten Regen. Für die Läufer war das irgendwann egal, Mitleid hatte ich mit den Zuschauern.

Bei der Halbmarathonmarke ging es mir immer noch prima, aber der häßlichste Streckenabschnitt, nämlich Nippes, sorry ihr Bewohner von Nippes, sollte noch kommen. War dann aber nicht so schlimm, weil ich schneller als erwartet durch war. Die letzten zehn Kilometer haben richtig Spaß gemacht.

Unterwegs
Unterwegs

Ich habe darauf gewartet, dass ich müde werde und an eine andere Linie stoße: meine Leistungsgrenze. Wunderbarerweise kam diese Linie nicht auf mich zu oder ich an sie heran, kein „toter Punkt“, kein „Mann mit dem Hammer“, gar nichts, ein tolles Gefühl.

Ich habe in der Vorbereitung das gemacht, was Burkhardt und Helmut gesagt haben, nämlich lange und langsame Läufe und das hat sich wunderbar ausgezahlt. Vielen Dank für die tollen Ratschläge!

Zum Schluß am Dom vorbei, über die Deutzer Brücke und die blaue Linie wurde von einer anderen Linie abgelöst – der Ziellinie. Nachdem ich 3:58 Stunden lang dem blauen Strich gefolgt war, war ich im Ziel. Ich bin sehr zufrieden und freue mich schon jetzt auf den nächsten Lauf.

Besonders gefreut hat mich, dass ich Christine, mit der ich eigentlich zusammen laufen wollte, im Startgewühl aber nicht finden konnte, im Ziel getroffen habe. Sie hat ihre persönliche Wunschzeit ebenfalls erreicht. Gefreut habe ich mich auch für Andres, der echt schnell war. Glückwunsch!

Nach dem Lauf interessierte mich eine ganz andere Linie, nämlich die der Bahn, die uns schnellstmöglich nach Hause und mich unter die warme Dusche bringen sollte.

Als Fazit bleiben: ein toller Lauf, viele schöne Erinnerungen und die Hoffnung auf viele weitere solcher Läufe - bei besserem Wetter.


 

Christian



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