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Bericht vom
Supermarathon Wien - Bratislava - Budapest
19. - 23. Oktober 2007

oder

Et hätt noch immer joot jejange!

Mittwoch, 17. Oktober

Anreise

Ich wollte frühzeitig nach Ungarn fahren. Zum einen ist die Fahrt im Nachtzug kurzweiliger, zum anderen hatte ich so Zeit genug, mich vor Ort umzusehen. Um 17:18 Uhr sollte der Zug in Aachen-Eilendorf abfahren. Ein halbe Stunde vorher wollte meine Frau Martine mich an meinem 3 km entfernten Arbeitsplatz abholen. Das erschien rechtzeitig genug und so passierte es auch.
Allerdings brauchten wir bis zur ersten Ampel schon 5 min, weitere 5 min bis zum Kreisverkehr, und wieder 5 min bis zur Autobahnauffahrt. Dort war eine kleine Baustelle. Daran vorbei und bis zur Ampel in Verlautenheide; schon wieder waren 5 min weg. Doch danach war die Straße frei und wir kamen rechtzeitig zum Zug.
Ich hatte alles eingepackt, was mir wichtig erschien:
- zwei Paar Laufschuhe für den Wettkampf, ein weiteres für abends oder den Dauerregen-Notfall
- diverse Shirts mit langem oder kurzem Arm, lange und kurze Hosen
- eine Jeans und einen Pullover
- 5 Powerbars, 5 Snickers, 1 Flasche Wasser, 1 Fl. Apfelschorle
- meine Pulsuhr und meine GPS-Uhr, incl. Ladegerät
- Handy, auch mit Ladegerät
Die meisten Sachen davon habe ich noch nicht mal ausgepackt...

Im Zug dann schon mal die Fahrkarten rausgeholt und gecheckt:
- Sitzplatz-Reservierung Köln - München
- Liegewagen München - Budapest
- Sitzplatz Budapest - Wien
- Schlafwagen Wien - Köln
Alles da, aber wo ist die Fahrkarte?
Noch mal kontrolliert, auf den Boden geschaut, noch mal in die Tasche, .. nicht da.
Martine angerufen und ja, da ist sie, bei ihren Reiseunterlagen, mit denen sie am Freitag nachkommen will.
Na, das kann ja heiter werden.

Der Schaffner im Zug nach Köln meinte, ich hätte ja alle Reservierungen und ich solle mal in Köln 'zum Fernverkehr' gehen und mit denen reden. Zahlen musste ich nichts.
In Köln zum ServicePoint: lange Schlange.
Zum Fahrkartenschalter: lange Schlange
Am 1. Klasse Schalter: fast frei. Kurz gewartet, meine Story erzählt und gehofft. Immerhin hatte ich mittlerweile auch die Nummer des Fahrscheins. Kann man den nicht einfach noch mal ausdrucken?
Nein, meinte die Dame, das wäre, als ob ich einen Geldschein verloren hätte. Ich müsse eine neue Karte kaufen. Aber dazu hatte ich weder Lust noch Zeit.
Hoch zum Bahnsteig: Der ICE nach München hat eine Verspätung von 25 min. Ich nutze die Gelegenheit, um der netten Aufsichtsfrau am Gleis meine Geschichte zu erzählen. Nun ja, sagte sie, das läge im Ermessen des Zugführers und vielleicht würde er ja hier einsteigen und ich könne schon mal mit ihm reden.
Aber er war leider nicht da :-(

Im Zug habe ich ihn direkt angesprochen, aber er zeigte keine Reaktion. Etwas später kam er im Rahmen seiner Runde an mir vorbei, ich setzte noch mal an und er meinte nur 'Tja, was machen wir mit Ihnen?' Mein Vorschlag: Ich könne mir die Karte zumailen lassen, denn verschiedene Anwesende hatten einen Laptop dabei. Hmh, Papier wäre besser, meinte er, und rief beim ServicePoint in München an, ließ sich deren Faxnummer geben und da solle es dann hin. Dann hätte ich wenigstens etwas in der Hand.
Okay, Martine kopierte die Karte bei uns, schrieb noch einen Satz dazu und faxte es bei unseren Nachbarn nach München.
Frankfurt, Personalwechsel. Noch mal die gleiche Geschichte? Nein, ich weiss Bescheid, meinte der neue Schaffner.

Bis München hatten wir unsere Verspätung aufgeholt und ich hatte 40 min Zeit zum Umsteigen. Erst mal zum ServicePoint, wo ich problemlos das Fax bekam. Allerdings mit der Bemerkung, dass diese Kopie völlig wertlos sei. Egal.
Ab in den Nachtzug, wo ich sofort mit dem Liegewagenschaffner sprach. Auch dieser hatte ein Einsehen :-)
Also ab ins Bett. 5 Personen im Abteil, darunter eine Frau. Ich hätte besser die Liege unten links genommen, statt der reservierten oben rechts. Denn die Liegen oben sind etwas kürzer. Naja, so toll war's nicht, aber besser als überhaupt kein Schlaf.

Ich wollte in Gyõr aussteigen, denn dort war die Eröffnungsveranstaltung. Mein Ticket ging bis Budapest, denn eine Rückfahrkarte war deutlich billiger. Ich hatte meine Sachen schon gepackt, da geht die Tür auf: Fahrkartenkontrolle! Nein, das wäre doch kein gültiges Ticket. Von der Grenze bis Gyõr müsse ich nachlösen. 7,50 €. Naja.
Ich stieg aus. Bis Ungarn ohne Fahrkarte - das war ja noch mal gut gegangen.

Donnerstag, 18. Oktober

Organisation

Gyõr ist überschaubar. Vom Bahnhof ging ich zu Fuß zur Uni, wo in einer Turnhalle die Anmeldeprozedur ablaufen sollte. Nach 15 min war ich da. Es war kurz nach 8 - und um 10 sollte es losgehen. Also erst mal in ein verrauchtes Studentencafé gesetzt, etwas gegessen und getrunken. Auf der Toilette war kein Papier - das sollte mir noch öfter passieren. Meine Sachen ließ ich im Café und machte einen kleinen Bummel. Durch die Uni, wo ich eine Toilette mit Papier fand, zur Turnhalle, wo fleißig aufgebaut wurde, durch den Park und einen Fluss entlang.
Kurz nach 10 stand ich dann 'auf der Matte' und schaute mich ich der Turnhalle um. 5, 6, 7, 8 Stände, die meisten auf Ungarisch beschriftet. An der Information traf ich Annamaria, eine Deutschlehrerin. Sie sagte mir, ich müsse am ersten Stand meine Angaben prüfen, am zweiten meinen Pass abgeben, am dritten bekäme ich meinen Champion-Chip und ein T-Shirt, am vierten konnte ich mein (nicht vorhandenes) Begleitfahrzeug anmelden, am fünften bekam ich Unterkünfte zugewiesen, am sechsten wurde mein Chip noch mal kontrolliert und am siebten bekam ich ein Versorgungspaket. Zwei Getränkeflaschen, drei Scheiben Weissbrot, etwas Wurst, etwas Käse,... Ich fragte mich nur, wie ich das mitnehmen sollte?

Registrierung in Gyõr
Registrierung in Gyõr

Nun hatte ich alles und ging ins Hotel. Ich hatte die billigste Übernachtungskategorie gewählt. 40 € mit Vollverpflegung. Aber statt dem von mir erwarteteten 4- oder 6-Bett-Zimmer hatte ich ein Einzelzimmer. Ich legte mich ins Bett, las und schlief etwas.
Dann machte ich mich wieder auf den Weg, schaute mir noch mal die Stadt und das Treiben in der Turnhalle an. Irgendwann gingen viele Leute in das gegenüber liegende Gebäude. Ich hinterher. Hier war die Pasta-Party, wo es reichlich zu essen gab. Mehrere Sorten Nudeln, auch als Nachtisch mit Zimt und Zucker, dazu eine Dose Bier oder ein anderes Getränk.

Das Feuerwerk
Das Feuerwerk

Dann wanderten alle in die benachbarte große Halle, wo die Eröffnungsfeier stattfand. Die Tanzeinlagen waren sprachunabhängig - sonst habe ich nicht viel verstanden. Danach gab es noch ein großes Feuerwerk.
Als das vorbei war, traf ich auch Heike. Sie hatte ich beim 6-Tage-Lauf in Erkrath gesehen, wo sie ihre Runden auf der 400m-Bahn drehte. Sie war mit dem Auto gekommen und fragte sich, wo sie es am besten parken könne.
Auf uns warteten ca. 10 große Reisebusse, die der Sponsor Samsung für den gesamten Lauf zur Verfügung gestellt hatte. In mein Hotel fuhren die Busse 5a und 5b - und ich wäre der einzige Passagier gewesen. So ging ich lieber zu Fuß. Auch Heike war alleine in ihrem Bus, aber da sie noch ihr Gepäck dabei hatte und sich auch nicht auskannte, nahm sie das Angebot wahr.

Freitag, 19. Oktober

1. Lauftag: Wien - Bratislava

Start im Ernst-Happel-Stadion
Start im Ernst-Happel-Stadion

Am nächsten Morgen mussten wir verdammt früh aufstehen. 4:30 Wecken, 5:00 Frühstück, 5:30 zum Bus, 5:40 Abfahrt zur Uni. Dort versammelten sich alle Busse und es stiegen noch viele Leute zu. Annamaria setze sich direkt vor mich. Glück gehabt, denn so erfuhr ich, dass der Bus Nr. 11 für das Gepäck der Einzelläufer zuständig ist. Die Polizei sperrte Straßen und Kreuzungen für uns und begleitete uns bis zur Grenze. Alle Grenzübertritte waren gut organisiert und deshalb vollkommen problemlos. So erreichten wir Wien, wo wir mitten in den morgendlichen Berufsverkehr reinkamen. Um 8:35 Uhr erreichten wir den Parkplatz vor dem Ernst-Happel-Stadion. Im Bus war es ziemlich warm gewesen, auch als ich raus kam, erschien es mir nicht so kalt. Ich entschied mich für eine halblange Hose, ein kurzes, winddichtes Shirt, meine neüen Stulpen und Handschuhe.
Schnell das Gepäck in Bus 11 umgeladen und eine Toilette gesucht. Hier gab es die übliche Schlange, an der sich noch ein paar Kids vorbei pfuschen wollten. Nix da!

Anna-Maria vor dem Start
Anna-Maria vor dem Start

Kurz vor dem Start waren wir im Stadion. Pünktlich ging es los. Erst eine Ehrenrunde im Stadion und dann machten wir uns auf den langen Weg nach Bratislava. Ich hatte Startnummer 8 und lief eine Zeit lang mit Nr. 5, 6 und 7 zusammen. Es gab ungefähr 50 Einzelläufer, erkennbar an ein- oder zweistelligen Startnummern. Die 150 Staffeln hatten dreistellige Nummern, ergänzt um eine vierte zur Identifikation des Läufers. Jede Staffel hatte 4 oder 5 LäuferInnen, von denen 4 jeden Tag einen Teilabschnitt liefen. Den abschließenden Halbmarathon konnten dann alle laufen, und die besten 4 wurden gewertet.

Normalerweise mag ich Staffelläufer nicht besonders, weil sie Unruhe in ein Rennen bringen. Aber hier wäre es ohne sie ziemlich einsam geworden. Und die Hilfe ihrer Begleitfahrzeuge war manchmal auch sehr nett.
Nach 10 Kilometern traf ich Rita von der Staffel 143. Sie konnte sehr gut Deutsch und wir unterhielten uns die ganze Zeit. Leider hatten wir in den nächsten 3 Tagen keine Gelegenheit, zusammen zu laufen :-(

Jetzt geht's los!
Jetzt geht's los!

Nach 45 Kilometern kam eine Hammersteigung. An der Verpflegungsstelle am Fuße der Steigung wurde ich gewarnt und mit etwas Rotwein präpariert. Ich ging gemütlich hoch, zumal ich sowieso nicht mehr so fit war. Und noch war die Hälfte nicht geschafft. Es war ziemlich einsam. Ab und an überholten mich andere Läufer, so z.B. Anke Drescher und Georg Weiss. An der Wechsel- und Verpflegungsstelle bei km 70 machte ich etwas Pause. Ich war platt, es wurde kalt und langsam auch dunkler. Auf der anderen Straßenseite stand ein Staffelbegleitfahrzeug. Hier lieh ich mir eine Jacke! Danke - wahrscheinlich wäre ich sonst gestorben, doch dazu später mehr.

Ich machte mich wieder auf den Weg. Es ging rauf und runter (allerdings nicht steil) und der Wind pfiff uns ganz schön um die Ohren. Kein Wunder, dass im Burgenland soviele Windkraftwerke stehen. An der vorletzten Verpflegungsstelle nach 78 km unterhielt ich mich nett mit den beiden Österreichern - ein guter Grund für eine kleine Pause. Die letzte Verpflegungsstelle in Berg habe ich irgendwie verpasst - ich sah nur ein, zwei Becher am Straßenrand. Nun waren nur noch 12 km zu laufen und in der Ferne sah ich Bratislava. Das gab mir neue Kraft. Ohne Pause lief ich in hohem Tempo den Weg parallel zur Autobahn, passierte die Grenze und lief weiter einen langgezogenen Fuß- und Radweg durch einen Park nach Bratislava. Diverse Läufer, die vorher an mir vorbei gekommen waren, überholte ich wieder. 2 km vor Schluss lief ich auf einen weiteren Läufer auf. Wir blieben nun zusammen, bis ins Ziel. Wir hatten zwar keine gemeinsame Sprache, um das abzusprechen, aber ich denke, das war uns beiden klar.

Nach dem Park mussten wir nur noch ein kleines Stück eine Straße entlang, auf einer Brücke über die Donau und dann noch eine lange Zielgerade, an deren Ende eine Band spielte. Erschöpft, aber froh, kamen wir im Ziel an.

Die Donaubrücke in Bratislava
Die Donaubrücke in Bratislava

Doch dann die Enttäuschung! Vor uns ein VIP-Zelt, neben uns ein Getränkestand, daneben noch ein paar Liegen. Aber wo sind die Massagen, wo ist das Gepäck? Ich frage die Damen am Getränkestand nach dem 'Big Bus', und sie schicken mich die Straße zurück. Aber da fahren nur die normalen Busse. Eine Polizistin hilft mir weiter, redet in ihr Sprechfunkgerät und sagt, am VIP-Zelt würde mir jemand weiterhelfen. Wieder 500m zurück.
Am VIP-Zelt steht nun jemand, den ich anspreche, und der mich eine andere Straße entlang schickt. Am Ende der Straße noch 200 m nach links, da wären die Busse. Und da fand ich sie auch. Allerdings waren die Busse zum Hotel gerade weg. Die nächsten würden in knapp 2 Stunden fahren. Nein danke! Ich nahm mein Gepäck und mir ein Taxi.

Für 10 € kam ich so schnell ins Hotel, konnte mich duschen (leider gab es keine Wanne) und essen. Kurz vor 22 Uhr kam Martine und ich konnte ihr von den Erlebnissen des Tages erzählen.

SMS des Tages: Saukalt, windig und ich in kurz. 9:40h. Und eine Blutblase am üblichen Zeh.

Strecke: Wien - Bratislava
Kilometer:91,6
Zeit: 9:37:14
Zeitlimit: 11:00:00
Platz Etappe: 29
Gesamtzeit: 9:37:14
Platz Gesamt: 29
Starter: 47
Finisher: 46

Samstag, 20. Oktober

2. Lauftag: Bratislava - Gyõr

Der Start in Bratislava
Der Start in Bratislava

5:30 wecken, 6:00 Frühstück, 6:45 Abfahrt, 7:00 am Busparkplatz. Noch 1 Stunde bis zum Start. Wieder die gleichen Sachen an wie gestern, wieder das Gepäck in Bus 11, halt, Vaseline vergessen, Gepäck noch mal raus, eincremen, Gepäck wieder rein. Ich wollte schon zum Start, da sehe ich, wie einige andere in ein Gebäude gegenüber gingen. Wohl eine Schule. Hier musste man sich noch mal für den Lauf anmelden, hier wären wohl auch die Massagen gewesen, hier waren Toiletten (ohne Papier!, danke an den edlen Spender!) und hier bekam man die Ergebnisliste des Vortages. Doch wohin damit? Soll ich sie jetzt 84 km mitnehmen? Rita, die Staffelläuferin, bot mir an, sie mitzunehmen. Nun gingen wir zum Start und pünktlich um 8 Uhr ging's los.

Heute wollte ich es ruhig angehen lassen. Noch nie hatte ich ein solches Mehrtagesrennen gemacht und ich wusste nicht, wie mein Körper darauf reagiert. Heike und Sylvia liefen langsam, aber stetig, und ihnen schloss ich mich an. Unser Tempo lag knapp über dem Limit, bei ca. 7 min/km. Die Straßen gingen endlos geradeaus. Ab und an zweigten wir ab in einen kleinen Ort, dort war dann eine Verpflegungsstelle, und es ging wieder zurück zur Hauptstraße. Zwei Leute mussten nach 21 km aufgeben, einer nach 34, ein weiterer nach 45. Und schon war der Besenwagen hinter uns. Zeit hatten wir noch, aber wir waren die letzten. Wir waren jedenfalls froh, als wir endlich einen anderen Läufer überholen konnten und so den Besenwagen loswurden.

Sylvia, Heike und Helmut
Sylvia, Heike und Helmut

Ich merkte, wie meine Oberschenkel immer härter wurden. Ab und zu dehnte ich sie etwas, aber das half nicht wirklich. An der 3. Wechselstelle, nach 56 km, verabschiedete ich mich von den beiden Damen und suchte alleine mein Glück. Ich pirschte mich von hinten an andere Läufer heran, überholte und nahm direkt den nächsten auf's Korn. Mein Tempo stieg deutlich, aber es war noch weit bis ins Ziel. Zu weit. Irgendwann fiel ich zurück auf ein 6er Tempo und die Leichtigkeit war dahin. Trotzdem war ich schnell genug, um nicht überholt zu werden. Ich passierte die Grenze zwischen der Slovakei und Ungarn und lief nun wieder auf Gyõr zu. Eine Frau, Eva, mit Fahrradbegleitung holte mich ein und ich hängte mich an sie dran. Leider hat sie das Tempo nicht bis ins Ziel gehalten, machte eine Gehpause und ich musste die letzten 3 km alleine laufen. Im Ziel habe ich auf sie gewartet und wir haben uns noch mal umarmt.

Eva Gurdon und ihr Begleiter
Eva Gurdon und ihr Begleiter

Martine holte meine Sachen, Gratulation hier und da, wir Läufer sind doch eher Leidensgenossen als Gegner. Dann suchte ich die Massagen, legte mich wartend auf eine Liege, hatte aber keine Ahnung, wie das alles funktioniert. Schließlich ging ich zu einem Masseur mit einem London-Marathon-T-Shirt. Allerdings war er weder den Marathon gelaufen noch konnte er besonders gut Englisch. Aber er bedeutete mir, dass jetzt Schluss sei. Auf meine Enttäuschung hin sprach er noch mal mit seinem Chef und ich kam doch noch dran. Er nahm das rechte Bein, eine Kollegin das linke. Es stellte sich heraus, dass sie recht gut Deutsch sprach, weil ihre Mutter aus Leipzig kommt. Außerdem erfuhr ich, dass Einzelläufer bei der Massage Priorität gegenüber den Staffelläufern haben - wieder etwas gelernt!

Anke Drescher am 2. Tag
Anke Drescher am 2. Tag

Mittlerweile hatte ich wieder ein paar Blasen mehr und humpelte zusammen mit Martine zum Bus. Der Bus sollte in einer halben Stunde fahren, aber unser Gepäck war in Bus 11 - und der Busfahrer beim Essen. So warteten wir im warmen Bus und hofften, dass der Busfahrer des 11er Busses rechtzeitig käme. Naja, kurz vor der Zeit telefonierten die beiden Busfahrer und unser Busfahrer machte dann die Gepäckfächer des 11ers auf.
Das Hotel kannte ich schon. Wir bekamen ein Doppelzimmer, gingen essen, Martine pflegte meine Wunden und wir schliefen schnell ein.

SMS des Tages: 57 km mit Heike und Silvia und Besenwagen. Dann schneller: 9:52h.

Strecke: Bratislava - Gyõr
Kilometer:84,0
Zeit: 9:52:58
Zeitlimit: 10:30:00
Platz Etappe: 30
Gesamtzeit: 19:30:12
Platz Gesamt: 29
Starter: 48
Finisher: 44
Noch im Rennen: 43

Sonntag, 21. Oktober

3. Lauftag: Gyõr - Tata

Start in Gyõr
Start in Gyõr

Heute ein lockerer Tag: Frühstück erst um 7 Uhr, Start erst um 10 Uhr, nur 63,7 km :-)
Ich übertreibe nicht, es ist wirklich so, dass einem 60 km auf einmal kurz erscheinen und ich unterwegs denke: 'Nur noch ein Marathon'.
Never change a running system: Ich bleibe bei den gleichen Laufsachen wie die Tage vorher, auch die Schuhe wechsele ich nicht - keine Ahnung, wie meine Füße sich mittlerweile an die Schuhe angepasst haben.
Wir kommen aus dem Hotel. Die Uhr zeigt 8:30 und eine Temperatur von 1 Grad. Die lokale Tageszeitung hat 7 Grad als Tageshöchsttemperatur in der Wettervorhersage. Hauptsache, der Wind hört auf!

Sylvia und Heike on the road
Sylvia und Heike on the road

Heute laufe ich ziemlich alleine mit meiner GPS-Uhr. Sie zeigt mir das aktuelle Tempo und ich halte mich an 6:00 min/km als Richtwert. Schnell bin ich relativ weit hinten im Feld - die anderen starten zu schnell. Noch in Gyõr muss ich meinen rechten Schuh etwas fester binden. Die Strecke ist recht flach und ich laufe sehr gleichmässig. Irgendwann fange ich an, andere zu überholen, die langsamer werden. Anke Drescher ist überhaupt nicht fit und quält sich über die Strecke. Sie ist am Ende der ersten Etappe hingefallen und hat sich wohl ein paar Rippen geprellt. An ihr komme ich schon früh vorbei, später überhole ich auch Georg.

Irgendwann wird mir klar, dass ich dieses Tempo bis zum Schluss weiterlaufen kann. Es fühlt sich toll an. Meist laufen wir mit mehreren zusammen. Einer vor mir, einer hinter mir. Wenn ich den vor mir überholen will, wird er schneller. Naja, dann soll er doch weiter den Windfänger spielen.

Kilometerweise hintereinander  Kilometerweise hintereinander
Kilometerweise hintereinander

Nach 60 km geht es bergauf und der Läufer hinter mir lässt abreißen. Dann geht es bergab, ich setze mich vor meinen Windschutz und mache die Beine lang. Nun lässt auch er abreißen. Die letzten 4 km bin ich alleine, keiner ist vor mir zu sehen. Zum Schluss geht es an einem See vorbei und durch einen Park. Viele Stolperfallen am Boden, viele Spaziergänger, aber wenig Beachtung für unseren Lauf. Im Olympia-Trainingslager ist das Ziel. Entspannter als an den beiden letzten Tagen komme ich an.

Ich hatte gedacht, Martine würde mich empfangen. Aber so früh hatte sie nicht mit mir gerechnet (ich auch nicht) und war noch mal zur Toilette gegangen. 6 min nach mir kamen meine beiden Mitläufer.
Ich ging zur meiner neuen Domina. Die Massage war hart, manchmal hätte ich schreien können, aber sie war wirkungsvoll. Jetzt, wo ich das Verfahren kannte, war alles ganz einfach. Ich ging zu ihr, meldete mich an und kam als Nächster dran. Unser Zimmer war auf dem Trainingsgelände, wir hatten also alle Zeit der Welt - dachten wir. Wir warteten auf Heike und Sylvia, die sich auch massieren ließen. Um 19 Uhr ging der letzte Bus zu den anderen Unterkünften, und kurz vorher machten wir uns auf den Weg, unsere Koffer aus Bus 11 zu holen.

Busse
Die Busse, die uns überall begleiteten

Annamaria hatte mir den Weg beschrieben: An der Schwimmhalle vorbei, am Sportplatz vorbei und dann wuerden wir sie schon sehen. Mittlerweile war es aber dunkel. Was ist die Schwimmhalle? An einem Sportplatz war ich vorbei gekommen (mittlerweile glaube ich, es gibt zwei), aber dort war kein Bus zu sehen. Am Tor fragten wir den Pförtner, der uns links die Straße entlang schickte. Unterwegs kamen wir an Heikes Auto vorbei, mit dem Martine jetzt immer fuhr. So konnte Heike sich dann in Budapest direkt auf den Heimweg machen und musste nicht noch mal nach Gyõr. Wir stiegen in den Wagen und fuhren ein Mal rund um das Trainingsgelände. Mittlerweile war es 19 Uhr. Wir zurück zu Annamaria, die ihren Sohn mit uns losschickte. Wir liefen (laufen konnte ich besser als gehen) hierhin und dorthin, überall waren Martine und ich schon gewesen. Mit seinem Handy telefonierte er rum und sagte dann, der Bus käme in ein paar Minuten zurück. Als er dann kam, war es der Bus 2b, unser Gepäck war aber in Bus 11, wie immer. Abendessen gab es bis 20 Uhr und ich sah uns schon ohne Essen und Gepäck die Nacht verbringen. Wir gingen erst mal essen (Martine und ich, Annamaria und ihr Sohn) und als wir fertig waren, stand unser Gepäck am Empfang. Zusammen mit ein paar anderen Koffern. Es war mal wieder gut gegangen.

Anna-Maria in Aktion
Anna-Maria in Aktion

Unser Zimmer war einfach, aber okay. Wunden waren nicht zu pflegen. Es war 20:30 Uhr und ich lag schon im Bett. Geduscht hatte ich, aber zum Zähneputzen konnte ich mich nicht mehr ueberwinden. Die Gepäcksuche hatte mich ganz schön geschlaucht, wahrscheinlich mehr mental als körperlich. Schnell schlief ich ein.

SMS des Tages: Superlauf: Marathon in 4:08h, Ziel bei 6:20h.

Strecke: Gyõr - Tata
Kilometer:63,7
Zeit: 6:20:41
Zeitlimit: 7:20:00
Platz Etappe: 20
Gesamtzeit: 25:50:53
Platz Gesamt: 26
Starter: 46
Finisher: 43
Noch im Rennen: 41

Montag, 22. Oktober

4. Lauftag: Tata - Budakeszi

Start in Tata
Start in Tata

Und wieder ein bequemer Tag. 7:00 Frühstück, 9:15 Start direkt vor der Haustür, schlappe 60 km. Mein rechtes Knie schmerzte etwas, was mir angesichts der 320 Meter, die es kurz nach dem Start hoch und wieder runter ging, etwas Sorgen machte. Georg und ich starteten zusammen. Er machte ganz schön Tempo. Als der Berg kam, zogen wir in einem Affenzahn hoch. Wenn das mal gut geht... Dann ging es bergab und Georg zog wieder an. So schnell würde mein Knie aber nicht mitmachen. Ich ließ ihn ziehen, aber er blieb in Sichtweite. Bis km 30 trafen wir uns an den Verpflegungsstellen, wo er gerade loslief, wenn ich ankam. Dann ließ ich ihn endgültig ziehen und verminderte mein Tempo auf einen 6er Schnitt. Die Marathonmarke passierte ich 10 min schneller als am Vortag, dabei war die Strecke deutlich anspruchsvoller als die gestrige. Ich hatte mir nur den ersten Peak eingeprägt, doch auch danach ging es immer hoch und runter. Doch das Schlimmste sollte noch kommen. Nach 50 km kam eine Steigung, die mir endlos erschien. Hinter jeder Kurve ging es weiter hoch. Irgendwo kam ein 12%-Schild - nun war der Ofen wirklich aus und ich ging ein Stück. 6 km vor Ende der Etappe lief eine russische Einzelläuferin auf mich auf. An ihr blieb ich nun dran und wir zogen uns gegenseitig bis ins Ziel.

Helmut am Boden
Helmut am Boden

Martine hatte sich total verfahren und war noch nicht da. So ging ich wieder zu meiner netten Domina, die sich mit ihren kräftigen Händen an meinen Beinen abarbeitete. Zum Dank und Abschied bekam sie einen Kuss.

Nach erfolgreicher Tat
Nach erfolgreicher Tat

Irgendwann kam mein Freund Janos mit seiner Frau Katalin. Sie leben in Budapest und bei ihnen wollten wir vor und nach der letzten Etappe übernachten. Noch ein Halbmarathon...
Mein Knie war okay, aber mein linker Fuß schmerzte. Zur Not würde ich das Ziel aber humpelnd erreichen.
Der Abend ging schnell vorbei und ich ging früh ins Bett.

SMS des Tages: Kaum warm, schon im Ziel. Marathon in 3:59h, 5:42h gesamt. Ziemlich bergig. Auch am Ende.

Strecke: Tata - Budakeszi
Kilometer:59,7
Zeit: 5:42:04
Zeitlimit: 7:15:00
Platz Etappe: 13
Gesamtzeit: 31:32:57
Platz Gesamt: 24
Starter: 42
Finisher: 42
Noch im Rennen: 41

Dienstag, 23. Oktober

5. Lauftag: Budakeszi - Budapest

Janos, Katalin und Martine brachten mich zum Start. Danach wollten sie Heikes Auto vor der Syma-Halle, in der die Abschlußfeier stattfinden würde, parken. Am Start fand ich Georg und Rita. Mein Fuß sagte mir, ich solle gemütlich mit Rita laufen. Es ging erst etwas bergauf, dann aber stetig bergab. Die Bergab-Passage tat meinem Fuß nicht gut, das gemäßigte Tempo schon. Es fing leicht an zu regnen. Wir liefen durch den Wald und vorbei an Budapester Villen. Wir sahen die Burg, leider nur von hinten, und liefen über die Kettenbrücke.

Die Kettenbrücke
Die Kettenbrücke

Noch 4 km, noch 3, noch 2. Der Heldenplatz erschien vor uns, links vorbei und da ist schon das Ziel.

Das Ziel - der Heldenplatz in Budapest
Das Ziel - der Heldenplatz in Budapest

Wir bekamen eine Medaille umgehängt, tranken etwas, machten ein paar Fotos. Ich gratulierte anderen Läufern und sie gratulierten mir.

Rita im Ziel  Die verdiente Medaille
Rita, Helmut und die verdienten Medaillen

Das große Glücksgefühl wollte nicht aufkommen. Nicht so wie gestern oder vorgestern. Ich war da, angekommen. Aber daran hatte ich heute auch keinen Zweifel mehr gehabt. Auch gestern und vorgestern nicht. Vor dem Lauf, da war mir noch sehr schleierhaft, ob ich ihn schaffen würde. Auch nach der ersten Etappe nicht. Aber nach der zweiten hatte ich keine Zweifel mehr.

Bald kamen Janos, Katalin und Martine, die leider meinen Zieleinlauf verpasst hatten. Wir machten uns auf den Weg zum Auto. Jetzt merkte ich erst, wie mein Fuß schmerzte. Wir fuhren zurück zur Wohnung, wo ich badete und wir zusammen etwas aßen.

In der Wanne bin ich Kapitän...
In der Wanne bin ich Kapitän...

Der 23. Oktober ist Nationalfeiertag, zur Erinnerung an den ungarischen Volksaufstand von 1956. Dieser Tag wurde auch dieses Jahr zu Protesten gegen die Regierung genutzt. Janos fuhr mit uns in die Stadt. Er zur Demonstration, wir zur Siegerehrung. Merkwürdig, daß die U-Bahn-Station, wo die Demo stattfand, aus technischen Gründen gesperrt war.

In der Syma-Halle tobte der Bär. Alle Einzelläufer, alle Staffeln, alle Organisationsleute. Pünktlich ging es los, aber wir verstanden kein Wort. 90 min lang wurden die Staffeln nach verschiedenen Kriterien geehrt. Altersklasse, österreichische und ungarische Armee, Frauen und Männer. Nach einer kleinen Show-Einlage kamen die Einzelläufer dran. Ich ging rechtzeitig nach vorne und lief locker und beschwingt (und mit zusammengebissenen Zähnen) die 5 Stufen zur Bühne hoch.

Siegerehrung
Siegerehrung

Jeder bekam eine Urkunde (leider ohne Kilometer, Platzierung und Zeit), uns wurde gratuliert und wir gratulierten uns noch mal gegenseitig. Dann wurde das Buffet mit Palatschinken, Windbeuteln, Würstchen und Getränken eröffnet. Heike und Sylvia machten sich auf den Rückweg nach Deutschland. Martine und ich unterhielten uns noch lange mit Rita und Robert. Rita wollte noch zur Demo, und wir wollten auch mal sehen, was da so abgeht.

So machten wir uns zusammen auf den Weg zu Rita. Diesmal war eine andere U-Bahn-Station geschlossen - der Ort der Demo hatte sich etwas verschoben. Bei Rita angekommen war mein linkes Bein ziemlich geschwollen. Ich kühlte es mit Eis, während Rita ihren Freund Robert nach Hause fuhr. Mit dem Bein wollte ich nicht mehr zur Demo - nur noch Ruhe und Eis. Als Rita zurück war, machten wir uns auf den Weg. Mit dem Auto fuhren wir durch Budapest und sahen uns die zentralen Orte an. Parlament, Fernsehsendezentrum. überall Straßensperren und ein riesiges Polizeiaufgebot, aber keine Demonstranten. Eine beklemmende Stimmung.

Wir fuhren noch mal auf den Gellértberg und besahen uns Budapest von oben. Rita brachte uns zurück zu Janos, wo wir den Abend gemütlich bei einem Glas Wein ausklingen ließen. Es war nicht leicht, mit dem schmerzhaften Fuß und einigen anderen sich merkwürdig anfühlenden Stellen einzuschlafen.

SMS des Tages: Mit Knie- und Fußschmerzen gestartet, deshalb langsam in 2:03h ins Ziel. Knieschmerzen jetzt besser.

Strecke: Budakeszi - Budapest
Kilometer:21,1
Zeit: 2:03:12
Zeitlimit: 2:30:00
Platz Etappe: 22
Gesamtzeit: 33:36:09
Platz Gesamt: 24
Starter: 47
Finisher: 47
Durch gekommen: 41

Mittwoch, 24. Oktober

Rückreise

Nach dem Aufstehen war mein Bein immer noch dick. Ich blieb auf dem Sofa, Martine ging laufen. Nach dem Mittagessen packten wir langsam unsere Sachen. 'Die Fahrkarten können wir ja jetzt zusammen packen. Wo ist denn meine Rückfahrkarte?' Sch..., die Karte fehlt, nicht zu finden. Alles drei Mal abgesucht, aber nichts zu finden. Also noch mal das Ganze.
Mit dem Taxi zum Bahnhof, durch den langen Tunnel auf Gleis 14/15, Verabschiedung und ab in den Zug nach Wien. Alle Karten incl. Reservierungen zusammen gesteckt, soll schön viel aussehen. Der erste Schaffner kommt, ich sage kein Wort, er blättert alles durch, gibt mir alles zurück. Die Grenze, der nächste Schaffner, ich sage kein Wort, er blättert alles durch, gibt mir alles zurück. Umsteigen in Wien, mit dem Gepäckwagen als Gehfrei.
Auch die Schlafwagenschaffnerin hat kein Problem mit meinem 'Ticket', welches mittlerweile sogar ein paar Zangenabdrücke hat.
In Deutschland streiken die Lokführer, dadurch erreichen wir in Köln einen Zug, den wir sonst nicht bekommen hätten. Keine Fahrkartenkontrolle!
Es ist mal wieder gut gegangen!

Danach

Ein paar Tage muss ich mir noch Ruhe gönnen. Die Schmerzen am Bein lassen nach, aber der Husten nervt. Auch Martine hustet - lag wohl an der Koffersuche in Tata.

Ob ich einen solchen Lauf noch mal mache?
Erst mal habe ich genug. Es war anstrengend, es war schön, aber es ist auch schön, dass der Lauf vorbei ist. But: Never say never!

Danke

Ich danke Gloria 'I will survive' Gaynor, 'Take the long way home' Supertramp, 'The show must go on' Queen und vielen anderen, die mich unterwegs bei Laune hielten!

 

Helmut



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