Erlebnisbericht vom Essen-Marathon (Baldeneysee) am 12.10.2003

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Zwei mal um den Baldeneysee

Der Baldeneysee
Der Baldeneysee

Nach den letzten Marathons in diesem Jahr - immer nur knapp unter 3:59:59 oder wie in Monschau etwas darüber - sollte doch endlich noch mal eine bessere Zeit fällig sein; am Jahresanfang hatte ich dies zumindest mal so geplant. Im Urlaub der Alpinmarathon zu den 3 Zinnen in den Dolomiten brachte schon eine 03:31 - allerdings war die Strecke nur 21km lang.

Das ganze Jahr 2003 verfolgten mich langsamere Laufzeiten als ich mir das erhofft hatte, da ich immer noch 5Kilo Übergewicht vom letzten Winter mit mir mitgeschleppt hatte. Im Sommerurlaub habe ich es dann endlich geschafft und ein wenig abgespeckt. Die letzten 10km-Zeiten ließen mich wieder hoffen. In Arnoldsweiler dann erstmals wieder bei km10 eine 43:30 (Zwischenzeit). Sollte der Plan vom Jahresanfang doch noch zu realisieren sein?

Nach dem Supersommer hatten wir ab 05.10. die ganze Woche über Mistwetter - kalt und nass. Wie wird das Wetter am Sonntag wohl werden? Ich sah mein Vorhaben schon regelrecht wegschwimmen.

Spätestens ab Mittwoch wurden - trotz des immer noch kalten und nassen Wetters - die Wetterprognosen dann deutlich besser. Helmut versorgte mich regelmäßig mit Wetterberichten. Es sollten ideale Bedingungen werden, nach den Hitzeläufen in Düsseldorf, Duisburg, Monschau... konnte es eh nur besser werden. Jetzt musste ich nur noch die Geburtstagsfete am Samstag bei Ralf gut überstehen. Würde ich es schaffen, die Chips stehen zu lassen und auch den Rotwein ab dem zweiten Glas ignorieren zu können? Es ging tatsächlich! Im Rausgehen dann das einseitige Wettangebot von Ralf: Bei einer Zeit unter 3:45 gibt es eine "Prämie" von 3 Flaschen Rotwein. Der Druck auf mich wuchs.

Sonntag 12.10.03

Bisher sind wir zu allen Läufen noch selbst gefahren - diesmal genossen wir den Luxus, chauffiert zu werden. Gisela wollte fahren.

Unterwegs
Unterwegs

Geplante Abfahrt 07:00 - alle waren pünktlich. Die Abfahrt erfolgte knapp später - ich wurde langsam unruhig. Die Fahrt ging zügig, nur Lukas’ schwache Blase bescherte uns einen kurzen Zwischenstopp.

Deutlich früh genug kamen wir an - zum ersten Mal bei einem Marathon hatte ich meine Startnummer noch nicht vorab abgeholt, und erstmals wollte ich Eigenverpflegung abgeben.

Parken und auffinden der Ausgabestelle war kein Problem. Der Weg vom Parkplatz bis zur Ausgabestelle war doch weiter als ich gedacht hatte. Flaschen abgeben (KM 10 + 30) ging auch problemlos - meine Kennzeichnungen mit Fähnchen des LT Beverau und von den flinken Flaschen Würselen machten sich gut und fielen auf - ich hatte ein gutes Gefühl. Schon das Basteln der Fähnchen hatte Spaß gemacht. Sabine gefielen die Flaschen mit den Fähnchen so gut, dass ich ihr auch eine basteln musste.

Warmlaufen: Vor einem Marathon hab’ ich das noch nie gemacht - Lukas "trieb" uns dazu an (danke!). Irgendwann ist immer das erste Mal; sehr lang war die Strecke nicht, aber mehr als nichts.

Es war zwar noch recht frisch, doch das tolle Wetter, das wir unterwegs haben würden, zeichnete sich schon ab. Die Kleiderfrage war rasch geklärt - nicht ganz kurz, mit T-Shirt. Ich nahm das Funktionsshirt aus Bozen, meinem schnellsten Marathon in diesem Jahr - ein gutes Omen?!

Vor dem Start
Vor dem Start

Vor dem Start treffen wir noch ein paar Cup-Läufer aus Dürwiß, Ralf Pauken mit seinem "Marathonschüler", Herman Gerards + Patrick Hollmann. Gisela reibt uns die Beine mit Viol-Aktiv ein - Doping für die Beine oder für die Seele, ob's was bringt?

Am Start
Am Start

Langsam gingen mir die Argumente aus, wenn es heute mit einer Jahresbestzeit doch nicht klappen sollte - ich wurde nervöser.

Noch immer wollte ich unter 4:00 bleiben - das war Pflicht. Unter 3:45 war das eigentliche Ziel (ein Band mit Zwischenzeiten für eine Endzeit 3:43 hatte ich am Handgelenk) - insgeheim sollte es aber eine "hohe" 3:30 werden. Wenn’s gut läuft, könnte die 3:41 aus 2002 von der Maas verbessert werden - doch ich war unsicher, sehr unsicher, zumal ich alleine laufen musste und keinen Begleiter hatte, der etwa mein Tempo laufen wollte.

Die letzten 2 Wochen waren chaotisch, ich hatte fast nix trainiert. Seit Monschau vor 8 Wochen hatte ich eh wenig gemacht. Im Urlaub in den Bergen ging nur bergsteigen; laufen war da praktisch nicht möglich. Der 3-Zinnen-Lauf und schwimmen war dort angesagt. Allerdings deuteten meine zuletzt gezeigten 10km-Zeiten in Würselen und Arnoldsweiler darauf hin, dass ich gut trainiert hatte. Psychisch war ich allerdings auch schon mal besser drauf. Meine max. geplante km-Zeit für heute lag bei 05:15 - 05:20 Min. Der letzte Test am Freitag im Waldstadion - da habe ich mich echt schwer getan, 05:10/km zu laufen. Ich kam mir sehr gequält vor - über 42 war das kaum zu schaffen, so mein letzter Eindruck.

Start 10:00 - Ich stand bei dem Zug-und-Bremsläufer 3:15. Langsam loslaufen, nicht mitziehen lassen! Es sollte mein stillster Marathon werden. Während der kommenden 3:30 habe ich höchstens 2 kurze Sätze gesprochen.

Der erste km 04:40, normal viel zu schnell für mich, es tat nichts weh. Langsamer werden - der 2. km in 04:55 - immer noch zu schnell. Vor mir lief Patrick (also muss ich zu schnell sein). Dieter Bauch kommt von hinten: Was willst du hier? Hier sind die 3:15-Läufer! - Doofe Frage, ich lief weiter und wollte langsamer werden. Dieter verabschiedete sich nach vorne. Km 3 = 04:50.

km 5 - zum ersten Mal an meiner Flasche vorbei, die ich erst bei km 30 nehmen will. Meine Zeiten immer noch alle unter 04:50 - ich schaffe es nicht, langsamer zu werden. Meine eigene Flasche sehe ich aus 4m Entfernung - sie steht noch da und fällt auf.

km 10 - ich bin knapp 4 Minuten vor meiner "Planzeit - 3:43" - bisher immer noch alle Zeiten unter 04:59 (hoffentlich bereue ich das nicht irgendwann). Verpflegung: Ich packe meine markierte Flasche und habe schnell Vorsprung vor den Jungs, die mit mir im Pulk laufen. Die Flasche werde ich bis km18 behalten und immer wieder trinken.

Lukas   Helmut
Lukas und Helmut unterwegs

km 15 bis 17 - hier begegnen sich die Läufer. Ich sehe Ralf Pauken (sieht ganz locker aus), Herman (sieht gut aus) und Helmut (schaut schon angestrengt). Wie sah ich wohl aus? Ich merkte schon, dass ich bei diesem Km-Stand bei anderen Läufen schon entspannter gewesen war. Was war mit Lukas? Den hatte ich nicht gesehen. Es ging weiter ...

Km 21 - unser mobile Verpflegungsstand. Toll, dass Gisela vom Parkplatz bis hierher gekommen ist; ich hatte mich auf die Verpflegung bei HM verlassen. Gisela wollte mich ein wenig einbremsen - ich wusste, dass ich schnell war. Meine Zwischenzeit knapp 8 Minuten unter Plan. Wieso sollte ich ab jetzt nachlassen und langsamer laufen?

Die Flinken Flaschen
Die Flinken Flaschen

Km 23 - erste Blähungen und Krämpfe stellten sich ein. Lag das eventuell an meinem Getränke-Mix? Blähungen hatte ich schon vor dem Start, auch in der letzten Woche - muss ich in die Büsche? Zwischen den Bäumen hockte wer - es sah dämlich aus. So ein Sch..., Toilettenpapier oder Tempos hatte ich nicht dabei.

Km 25 - es ging wieder - auch ohne Austritt in die Walachei. In der Zwischenzeit hatte ich mir schon einen Schwamm als Ersatz für Toilettenpapier organisiert.

Km 26 - das erste Gespräch mit Laufkollegen: Unter 3:25 will einer bleiben - einer erzählte irgendwas, was ab km 34 passiert oder so. Ich sagte nur laut: Einmal unter 3:30 würde mir schon reichen - die anderen guckten ungläubig. Das war dann auch schon der letzte Satz, den ich bis ins Ziel noch gesprochen habe. Die Zeit war super. Mein erster km über 5 Min. = 05:00,87.

Km 28 - es lief immer noch, weiterhin alles unter 5 Minuten - soviel Zeit, dass ich die 3:45 nicht mehr erreichen würde, konnte ich fast schon nicht mehr verlieren. Meine Füße taten langsam weh - beide Schuhe waren zu fest gebunden. Bis ins Ziel würde ich den Schmerz aushalten. Zeit zum Binden wollte ich mir nun wirklich nicht nehmen. Die ersten Rechenspielchen gingen in meinem Kopf ab: Ab hier nur noch einen Schnitt von 6:00 ... Ich lief immer noch permanent unter 5 Min/km.

KM 29,5 - Dieter Bauch kommt mir entgegen - steigt aus. Jetzt muss ich ankommen, damit es eine Mannschaftswertung gibt - ich bin bisher immer angekommen!

Km 30 - meine 2. Flasche stand auch noch da - Hanns hat sie in der ersten Runde doch nicht "geklaut". Hier wurde der Vorteil deutlich. Ich gewann klar an Raum vor den Läufern, die ihre Becher gehend leeren mussten. Ich konnte im Laufen trinken. Bis km 35 würde ich die Flasche geleert haben. Ab da hoffte ich auf Cola.

Km 35 - es wird schwieriger, ich muss erstmals ein Stückchen gehen - 05:30 ist die km-Zeit. Es gibt Cola zu trinken - spitze.

Km 36 - wieder "Normalzeit" unter 5:00.

Nächste große Verpflegungsstation km 37 - ich hing durch. An der Verpflegungsstation wurde ich namentlich aufgerufen - das motiviert! Ein Laufkollege pennt und schüttet mir einen halben Becher Wasser in den linken Schuh. Weiterlaufen! So schnell komme ich nicht mehr so weit nach vorne. Nur noch knapp 30 Minuten! Erstaunlich: Auch hier waren jeden Menge "Fußgänger" unterwegs, die im 4h-Bereich fast normal sind. Es wurde schwieriger - für alle. Obwohl es mir schlechter ging, kam von hinten niemand, der mich hätte überholen können.

Der nächste Ansager ca. km 39 - "hier sind die Läufer, die alle unter 3:29 bleiben", und ich war immer noch dabei! Erst jetzt fiel mir auf: Den Zug-und-Bremsläufer für 3:30 hatte ich noch nicht vorbeilassen müssen - ich war dabei! Die vorherigen Gedanken (3:33 od. 3:35 ist auch ne tolle Zeit) wurden langsam ad acta gelegt.

Km 40 - ich gehe 20 m; die Gruppe hinter den Zug-und-Bremsläufern 3:30 kommt vorbei - ich laufe sofort mit und sortiere mich unmittelbar hinter den beiden "Leadern" ein.

Km 41 - jetzt glaube ich fest dran. Ich will 50 m gehen - die Zeit reicht allemal aus. Die Zug-und-Bremsläufer lassen mich nicht und das ist gut so: Du läufst weiter, locker bleiben. Ich laufe weiter.

Zielgerade - wo ist das Ziel? Um die Ecke und dann nach der Kurve die Sicherheit: Es reicht locker. Die Zeit im Ziel 3:28:41 handgestoppt - netto 3:28:37 - Wahnsinn!

Als erstes der Dank an die beiden Zug-und-Bremsläufer - ich konnte wieder reden.

Medaille gibt es sofort. Helmut sitzt auch da, sieht fertig aus. Fast hätte ich ihn noch eingeholt. 40 Sekunden haben gefehlt. 2 kl. Köpi gibt es auch - die habe ich mir jetzt verdient. Wir gehen weiter; da sitzt Lukas, sieht geschafft aus. Die ersten Worte: Was tust du denn jetzt schon hier? (Ich verzeihe ihm) Dann auch hier: Lukas war auch Bestzeit gelaufen: 3:06:40 - erst langsam kapiere ich, er wollte echt unter 3:00 bleiben.

Der Lohn
Der Lohn

Ein Spitzen-Mannschaftsergebnis ist uns sicher: Lukas 3:06, Helmut und ich unter 3:30, das muss gut sein. Schade, Helmut konnte sein Vorhaben leider (wieder) nicht umsetzen. In Duisburg war es zu heiß - o.k. nächstes Jahr z.B. in Echternach ist ein neuer Versuch bei guter Strecke möglich.

Mein besonderer Dank an unsere Chauffeuse, unsere mobile Verpflegungsstelle und unsere Fotografin, die vergeblich versucht hat, mich zu bremsen.

Auch hinterher war’s ganz o.k. - auf der Tribüne haben wir in der Sonne die Aussicht auf die Segler, die letzten Finisher, Helmuts Kuchen, den Kaffee + das leckere Erdinger genossen. Wir alle waren erstaunt, was der Kofferraum so alles hergab.

Bei Kaffe und Kuchen
Bei Kaffe und Kuchen

Die Rückfahrt wurde dann durch die im Auto bereitgelegte männerfeindliche Lektüre verkürzt - fast so wie im Wartezimmer beim Arzt. Ob Gisela das ernst meint? Zweifel machten sich breit.

Alles richtig gemacht:

Beine einölen, Eigenverpflegung . . .
Beim nächsten "Rekordversuch" werde ich alles genau so wiederholen. Trainingsumfang: Weniger ist manchmal mehr!

Ab jetzt sollte ich mich langsam von den 4h verabschieden - 3:45 ist jetzt die Richtzeit. Siebengebirge, Monschau + Jungfrau lasse ich hierbei außen vor.

Herbert


Ergebnisse:
 2003
Lukas3:06:40
Helmut3:27:59
Herbert3:28:37